Allgemein 

Neid entsteht durch den Vergleich

Bei tief sitzenden Minderwertigkeitskomplexen wird, um dem als unangenehm erlebten Gefühl des Neides zu entgehen – Abwehr –, die eigene Person idealisiert und narzisstisch verklärt. Reinhard Haller weiß: „Da am Beginn des Neides oft der Vergleich mit anderen steht, begegnet der Narzisst den Personen, die er als gleichwertig oder überlegen betrachtet, mit destruktivem Neid, schließlich mit Hass.“ Destruktiver wie konstruktiver Neid ist ein Vergleichsaffekt, mit dem man sich in Relation zu Personen des sozialen Umfeldes setzt. Dies ist in evolutionärer Hinsicht von erheblicher Bedeutung, da Neid durch den Vergleich zum Nachdenken anregt und dadurch die eigene Position schützt und das Überleben sichern hilft. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Die Tendenz zum Neid ist im menschlichen Erbgut verankert

Francis Bacon (1561 – 1626), der englische Philosoph, Jurist und Staatsmann, schrieb in einem Essay „Über den Neid“ (1612): „Der Neid folgt nämlich immer dem Vergleich mit sich selbst: Wo also kein Vergleich stattfindet, gibt es auch keinen Neid, wie Könige nur von Königen beneidet werden.“ In der modernen Organisationspsychologie wird Neid als „Spielart des Vergleichs, die wir brauchen, um uns selbst einschätzen zu können“ bezeichnet.

Reinhard Haller stellt fest: „Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Tendenz zum Neid im menschlichen Erbgut verankert. Auch die hirnphysiologischen Grundlagen sind zwischenzeitlich nachgewiesen.“ Der Neid wird durch das soziale Umfeld begünstigt, besonders wenn dieses individualistisch orientiert ist, das heißt, wenn die einzelne Person gegenüber der Gemeinschaft in den Mittelpunkt gerückt wird. Dies fördert den bei der Entstehung des Neides und Hasses so einflussreichen Narzissmus.

Konstruktiver Neid ist auf Ansporn ausgerichtet

Neid kann aber auch am Modell der Eltern oder wichtiger Bezugspersonen erlernt werden, wenn in deren Verhalten die Vor- und Nachteile des konstruktiven oder destruktiven Neides hautnah zu erlernen sind. Reinhard Haller fügt hinzu: „Was die Forschung über den Neid noch herausgefunden hat: Junge Menschen entwickeln viel häufiger Neidgefühle als ältere. Und sie sind eher neidisch auf Gleichaltrige als auf jüngere oder ältere Personen.“ Dieses Phänomen wird durch die sozialen Medien stark gefördert.

Nur der destruktive Neid führt zum Hass, während der konstruktive Neid eher auf Ansporn denn auf Zerstörung ausgerichtet ist. Reinhard Haller erläutert: „Wenn wir jemand anderen um sein Ansehen, seine Stelle, sein Einkommen, sein Verhalten oder seine Persönlichkeit beneiden, ist es entscheidend, ob wir das Bedürfnis haben, uns selbst dieselbe Position zu erarbeiten und uns auf eine Stufe mit der beneideten Person oder sogar über sie stellen zu können. Quelle: „Die dunkle Leidenschaft“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

Related posts

Leave a Comment